Mama, ich brauche da schnell noch…
Ein paar kleine Gedanken zu Unterrichtsmaterial und dessen Beschaffung….
Im Grunde genommen ist es ganz einfach.
Die Kinder gehen zur Schule, und dafür brauchen sie Stifte, Hefte, Bücher, Anspitzer, Radiergummi, noch ein Heft, ein Heft mit Rand, ein Heft im Querformat, einen nicht-permanenten Folienstift, einen grünen, einen roten, einen blauen und manchmal auch einen türkis-dunkelviolett-karierten Schnellhefter.
Kann man (obwohl ungerechterweise eher frau) ja alles besorgen. Dauert etwas, kostet ein kleines Vermögen, aber sollte pünktlich mit dem Ende der Sommerferien erledigt sein.
Ist die mit viel Talent auf DIN A4 gequetschte Liste abgearbeitet, das Budget überschritten und der Ranzen voll, kommen die wirklichen Anschaffungen in Form von formlosen kleinen Notizen im Hausaufgabenheft – natürlich mit genauen Vorgaben. Ein Radiergummi von der Firma, die ihren Kram nur in einem Laden etwa 20 Kilometer hinter Mordor, am Schicksalsberg rechts ab, verkauft. Ein Stift, der seit der Völkerwanderung gar nicht mehr hergestellt wird, und selbstverständlich Pinsel aus den Schweifhaaren eines rechtsdrehenden Einhorns.
Bitte bis morgen früh diskret im Ranzen verstauen.
Und das weiß man als Elternteil. Darum hat man schließlich den Urlaub geschickt auf den Schulstart gelegt. Oder gleich den Job gekündigt.
Zum Glück reicht das Material für den Rest des Schuljahres aus. Und wenn nicht, dann werden die notwendigen Anschaffungen lange vorher durch den Lehrkörper geplant und angekündigt. Und überhaupt wissen echte Eltern ja dank Helikopter-Radar schon Wochen im Voraus, welch kuriose Gegenstände demnächst im Unterricht eingesetzt werden.
Sodass man unter keinen Umständen je in die Verlegenheit kommen würde, sagen wir mal: an einem Feiertag spontan einen Bogen schwarzen Tonkarton zu benötigen.
An der Schulkarriere ihrer Kinder nicht so interessierte Eltern (besagte Deppen, die das nicht vorher schon wussten), haben nun ein Problem, das einer sofortigen, kreativen Lösung bedarf.
Ein Elternteil (um ein Klischee zu bedienen natürlich der Vater) hat immerhin nach einer Viertelstunde schon eine Idee: „Kümmer du dich doch bitte darum.“
Was das Problem erst einmal halbiert, denn jetzt betrifft es ja nur noch einen.
Und die Mutter (nur damit das Klischee perfekt bleibt)?
Kann auswählen unter diesen Möglichkeiten:
Wie man nachts noch Schulmaterial bekommt
- Den Ehemann der Besitzerin des örtlichen Schreibwarenladens aufsuchen, verführen und als Gegenleistung für das Verheimlichen des außerehelichen Geschlechtsaktes einen Bogen schwarzen Tonkarton als Schweigegeld verlangen. Nachteil: Was tun, wenn der Ehemann der Besitzerin des örtlichen Schreibwarenladens gerade nicht da ist.
- Die Besitzerin des örtlichen Schreibwarenladens von ihren schon immer vorhandenen homoerotischen Neigungen überzeugen, sie verführen und dafür einen Bogen schwarzen Tonkarton als Geschenk annehmen. Nachteil: Die Besitzerin des örtlichen Schreibwarenladens könnte keine homoerotischen Neigungen empfinden oder sie mit Hilfe anderer Mütter, die in ähnlich prekären Situationen sind, für einen Linkshänderfüller mit ökologischer Tinte oder ein DIN A2 Heft mit Rauten schon ausreichend erkundet haben.
- Im Internet einen Schnellkursus in geschickter Türschlossmanipulation belegen, sich im Schutze der Dunkelheit mit schwarzer Kleidung und einer Haarklammer am Lagereingang des besagten Ladens versuchen, einbrechen und einen Bogen schwarzen Tonkarton mitnehmen. Nicht vergessen, dass Geld für Karton und neues Türschloss am Tresen zu hinterlassen. Nachteil: Ist nichts für Leute mit moralischen Bedenken gegenüber Einbruch. Und der anschließende Aufenthalt auf der Polizeiwache kollidiert meistens mit den Einschlafzeiten der Kinder. Später losziehen ist nur eine Option, wenn ein Babysitter greifbar ist.
- Sich sofort, jetzt und auf der Stelle ins Auto setzen, unter Missachtung der ohnehin nur für Nicht-Eltern gedachten Geschwindigkeitsbeschränkungen quer durch die Bundesrepublik rasen bis zu einem Nachbarland, in dem auch an Sonn- und Feiertagen schwarzer Tonkarton verkauft wird. Nachteil: Das echt ungünstige Verhältnis von Benzin- und Strafzettelkosten zum Preis eines Bogens schwarzen Tonkartons. Wird aber besser, wenn man den praktisch unermesslichen Wert einer umfassenden Schulbildung mit einrechnet.
- Im örtlichen Heimatmuseum schnell die Kunst des Papierschöpfens erlernen. Alte Zeitungen und Holzkohlestaub, etwas Wasser und eine Grundausstattung mit den nötigen Werkzeugen finden sich sicherlich in jeder Küche. Nachteil: Wenn das Ergebnis nicht zu 100 Prozent den Qualitäts- und Formatvorstellungen der Lehrer entspricht, bekommt das arme Kind trotzdem eine Sechs.
- Kind von der Schule abmelden. Kinder, deren Eltern nicht hellsehen können, wann ein Bogen schwarzer Tonkartons gebraucht wird, haben in unserem Schulsystem ohnehin keine Chancen. Nachteil: Verschärft leider das Betreuungsproblem unter der Woche, bis das Kind alt genug für die Ausbildung zum Betäubungsmitteleinzelhändler ist.
Nicht infrage kommen natürlich die folgenden Schritte:
Ein Brief an die Lehrerin mit dem freundlichen Hinweis, dass der Förderverein immer noch nicht das eigene Gehalt übernehmen will, und man daher gezwungen ist, die für Schulbesorgungen vorgesehene Zeit mit überflüssiger Berufstätigkeit zu verplempern.
Das Kind ohne schwarzen Tonkarton in die Schule schicken, damit es mal lernt, solche Mitteilungen schon am Freitagmittag, also anderthalb Tage vor dem endgültigen Ladenschluss, an die Eltern weiterzureichen.