Zeit für den Frühjahrsputz
Was dabei zu beachten ist
Es gibt neben den zehn Geboten und dem Grundgesetz ein paar Regeln, die man einfach nicht brechen darf. Eine davon lautet:
Sobald das Wetter frühlingshaft wird, muss geputzt werden. Und zwar gründlich.
Das Phänomen heißt wenig fantasievoll Frühjahrsputz und kein Medium, das auch nur eine Frau als Leserin hat, kommt daran vorbei.
(Hoffungsvolle Feministinnen gehen davon aus, dass schon um das Jahr 2080 auch Männer an diesem komplexen Ritual teilnehmen dürfen. Aber wahrscheinlich sind das sehr optimistische Schätzungen.)
Immerhin sollte man spätestens nach dem dritten Gespräch mit einer anderen Mutter erfahren haben, dass die Sauberkeit des Hauses und der Weg dahin etwa 94 Prozent der Hirnkapazitäten ausfüllen müssen.
Man kennt das. (Nun, Frau kennt es zumindest).
Der kritische Blick in fremde Wohnzimmer
Man (nein, Frau) betritt ein Haus, dass noch sauberer ist als die fiktiven Wohnräume in Möbelhauskatalogen. Und wir nicht mit Hallo oder guten Tag begrüßt, sondern mit: „Bitte schau nicht auf einen Fußboden, tut mir echt leid, wie der aussieht.“
Frau schaut nach unten. Stimmt, der Fußboden sieht grauenvoll aus. Dieses Fliesendesign hätte sie selbst nie ausgesucht. Aber das sofort hinterhergeschobene „Ich bin heute noch nicht zum durchwischen gekommen“ der Gastgeberin erinnert einen daran, was wirklich gemeint ist. Ein paar Wischschlieren, die bei einer Kopfneigung von 35 Grad nach rechts im Gegenlicht mit dem linken Auge beim Zukneifen zu erkennen sind, sollen verziehen werden.
In einem solchen Fall muss man als gute Besucherin dann ganz viel Mitgefühl aufbringen für die arme, verzweifelte Seele, die am Vorabend zuletzt mit Wischmop und Eimer unterwegs war (es ist auch gerade mal acht Uhr früh) und das mitgebrachte Mikroskop in der Tasche lassen.
Für alle, die von so peinlichen Szenen Abstand nehmen wollen, gibt es reichlich Lektüre in jedem Zeitschriftenladen. Stichwort: Nachwuchs beim Adel und Einrichtungstipps von Designerehepaaren.
Für alle anderen hier meine Liste der wichtigsten Arbeitsschritte beim Frühjahrsputz:
1. Aufräumen
Bevor man den Boden, die Fenster oder die Regalrückseiten putzen kann, muss man sie erreichen. Also sollten Gegenstände, die im Laufe des Jahres umhergewandert sind, an ihren Ursprungsort zurückgebracht werden.
Bücher kommen ins Bücherregal, Kleidung in den Kleiderschrank, die hässlichen Dekokerzenleuchter zurück zu dem, der sie unbedingt verschenken musste.
Für alle Dinge, die man nicht sofort einordnen kann, hat das örtliche Entsorgungsunternehmen farblich ansprechende Tonnen entwickelt.
Vollprofis sortieren außerdem die Handtücher nach der Farbe, die Zimmerpflanzen nach der Größe und die Möbel alphabetisch.
Wer beim Ausmisten Schwierigkeiten hat, dem sei die Vier-Kisten-Methode empfohlen.
Laut diversen Anleitungen unterteilt man dazu seine Besitztümer in „wichtig“, „kann ich verschenken, verkaufen oder verlieren“, „muss ich noch einmal drüber nachdenken“ und „Abfall“.
In der Realität sieht es eher so aus: Die vier Kisten stehen für „brauche ich auf jeden Falle noch“, „kann man vielleicht noch einmal brauchen“, „wenn ich drüber nachdenke, finde ich bestimmt eine Verwendung“ und „keine Ahnung, wozu das gut sein soll, aber es hat Geld gekostet, also behalte ich es“. Dann verteilt man den Inhalt eines Schrankes gleichmäßig auf die Kisten. Und erfreut sich währendessen an wiedergefundenen Schätzen, dringend zu beendenden Bastelarbeiten und lange verschwundenen Einzelteilen. Am Ende kommt alls zurück in die Schubladen und Fächer. Mit viel Druck, damit es passt.
2. Staubwischen
Die Wahl des richtigen Hilfsmittels ist wichtig. Umfangreiche Recherchen bei erfahrenen Vollblutmüttern und -hausfrauen haben ergeben, dass alle bisher von mir verwendeten Wedel, Lappen oder Mikrofaser-Antistatik-Lufterfrischer-Zaubertücher genau falsch sind.
Natürlich lässt sich Staub eigentlich mit jedem Stück weichem Zeugs entfernen, aber das reicht anscheinend nicht aus. (Bitte nicht fragen warum. Dass ist Geheimwissen für Eltern.)
Zumindest vorrübergehend kann man auf den neuesten, teuersten und am schwersten zu Beschaffenen Gegenstand zurückgreifen – Hermés-Tücher, bei Neumond gewebte Kaschmirläppchen oder ein Staubmaster 3000 Deluxe extra extreme. Bitte nicht unter einem halben Monatseinkommen. Und nicht vergessen, nach dem Shoppen auch alles hübsch damit abstauben. Also nachdem Sie alles zuvor mit einem billigen Ding gewaschen haben. Wer will schon Staub an seinem Hermés-Tuch?
Wer es praktischer mag: Föhn dranhalten. Mund zumachen. Föhn anschalten. Staub weg.
3. Staubsaugen
Das Muss für jeden Fußboden. Grundsätzlich gilt: Alles, dass durch das Staubsaugerrohr passt, wird auch aufgesaugt. Bisher habe ich mich strickt geweigert, vorher zu fegen, „damit das nicht so im Rohr klappert“. Obwohl mir das nähe gelegt wurde. Meine Empfehlung, falls die Geräusche doch stören: Heavy Metal, maximale Lautstärke, über Kopfhörer.
Nach dem Saugen im Kinderzimmer dann kurz den Musiktitel wechseln. Ich haben in der Playlist immer einen Trauermarsch zu ehren aller im Staubbeutel gefallenen Lego-Ninja, Playmobil-Ritter und verlorene Barbieschuhe.
(Falls Sie neben Kleinkram auch echten Staub aufsaugen wollen, lesen Sie bitte zuvor die Gebrauchsanweisung des Gerätes. Ich besaß einige Jahre lang einen Staubsauger, der laut offizieller Warnung in der Anweisung nicht zum Aufsaugen von Staub zugelassen war. Habe es trotzdem gemacht. Nicht verpetzen!)
4. Fensterputzen
Wichtigste Vorübung hier: durch alle Fenster durchsehen. Sie sehen den Himmel, den Garten oder die hässliche Mauer von Gegenüber? Dann sind die Fenster voll funktionstüchtig (oder im Fall der hässlichen Mauer nicht annähernd dreckig genug).
Warum wollen Sie die dann putzen?
Sehen Sie die Umgebung nicht mehr, überlegen Sie genau, welche Ansichten Sie vermissen. Halbnackte Nachbarn bei der Gartenarbeit sind hinter einer leicht trübenden Matschschicht gleich viel attraktiver.
Ist der Nachbar auch ohne diffusen Filter sehr attraktiv, gilt für Fensterputztechniken dasselbe wie fürs Staubwischen: Es gibt so viele Methoden wie Hausfrauen. Und jede ist die einzig richtige. Lassen Sie sich auf keinen Fall unbewaffnet auf Debatten ein. Egal, was Ihnen empfohlen wird: Sie haben genau das gemacht (wenn das Fenster sauber ist) oder werden genau das als nächstes tun (wenn das Fenster noch dreckig ist). U
Und dann gehen Sie einfach in einen Supermarkt, Baumarkt oder Drogeriemarkt Ihrers Vertrauens. Die Industrie hat viel Geld und Zeit investiert, um Glas- und Fensterreiniger zu produzieren. Würdigen Sie diesen Einsatz. Wenn an Enden mehr Licht ins Haus fällt als vorher, Gratulation.
Wenn sich komische Schlieren bilden: Laden Sie eben nur noch Gäste ein, wenn es regnet.
5. Putzen, wie nie ein Mensch zuvor gewesen ist
Zu einem anständigen Frühjahrsputz gehören den einschlägigen Fachblättern zufolge auch das Entrümpeln von Keller, Dachboden und Garage, kleinere Reparaturen im und am Haus, die Reinigung der Teppiche, Vorhänge waschen und das abmontieren des Siphons zum Durchspülen. Entstauben Sie die Gardienenstangen von oben, die Schubladen von unten und die Bücher endlich einmal von hinten. Niemand mag Schmutz auf Fußleisten oder Spinnweben hinter dem Heizkessel.
Die dazu verbreitetste Methode ist das: „Mache ich direkt als nächstes, sobald Zeit ist.“ Mit diesem Satz kann man die Aufgaben problemlos bis Mitte Juni verschieben. Dann gilt sowohl meteorologisch als auch astronomisch der Frühling als beendet und alle nicht erledigten Frühjahrsputz-Aktionen müssen leider bis zum nächsten März verschoben werden.
Bekanntlich ist ein Haus nämlich nur in den Frühlingsmonaten zu dreckig. Den Rest des Jahres kann man auch ohne zusätzliche Säuberungen darin wohnen. Es gibt weder Sommer-, Herbst- noch Winterputz.
(Weshalb es auch einfach hilft, den Küchenkalender ganzjährig auf September zu stellen.)
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