Wie man´s macht … immer falsch
Gibt es ein Geheimwissen über Erziehung?
Vielleicht hab ich es schon bemerkt, kaum dass das erste Baby auf der Welt war. Irgendwie macht man alles falsch (zumindest als Haupt-Erziehungsbeauftrage).
Was früher bei Puppen so simpel erschien, ist in Wirklichkeit eine Geheimwissenschaft, in die man nie eingeweiht wird (also der Mann schon mal gar nicht, aber frau auch nicht).
Da ist man stolz, das Kind in einem schicken Kinderwagen zu legen (war bei Puppen ja auch so und auf Fotos sieht das ganz simpel aus) …
„Habt ihr den auch auf Schadstoffe überprüfen lassen?“
Äh… nein? Wir haben nach Farbe und Preis ausgesucht und er ist eben blau…
„Aber das ist doch ein Mädchen!“
Platzen die in blauen Wagen?
„Und das Kissen/die Decke/ der Fußsack/ die Mütze fehlt / ist zu dick / passt doch gar nicht dazu…“
Komisch, auf meiner Seite des Kinderwagens muss dann wohl ne andere Jahreszeit sein. Hier ist Sommer, aber wenn bei dir Winter ist… dann her mit der Bommelmütze… ach ne, seit gestern trägt man also Fleece.
Beikostart – Aber womit?
Man füttert den ersten Möhrenbrei, stolz wie Oscar, weil selbstgekocht aus glücklichen Möhren vom biologisch aufgewachsenen Bauern…
„Wie kannst du nur? Weißt du denn, ob dein Kind Allergien hat?“
Äh… Woher? Es hat außer Milch noch nie was bekommen?
„Man füttert als erstes immer Pastinake / Kürbis / wahlweise andere ausgefallene Gemüsesorte aus der Anbauregion xy.“
Selbst wenn es die eben nur zwei Monate im Jahr im Bioladen zwei Autostunden entfernt gibt. Ein bisschen Aufwand muss man für die Kleinen ja in Kauf nehmen.
Dann die Anmeldung im Kindergarten, stolz absolviert und einen Platz bekommen, dort, wo Mann, Frau und sogar Kind schnell fußläufig ankommen.
„Habt ihr nicht gehört, dass die dort nach einem ganz veralteten pädagogischen Konzept arbeiten? Macht ihr euch denn keine Gedanken über Frühförderung?“
…. Hmmm… Also, es sah ja sehr nach Kindergarten aus… So mit vier Wänden, Dach und viel Spielzeug…
„Und vor acht Jahren soll die eine Erzieherin zu der einen Mutter mal gesagt haben, dass…“
Also,… mir erschienen die Leute nett, und jeden Tag fahren nur für den Kindergarten…
Den Schulranzen habe ich dann mit viel System nach den Wünschen meines Kindes ausgewählt.
„Das darf man doch nicht machen!“ (Schnappatmung, Panikattacke) „Das muss mit einem Orthopäden besprochen werden und die müssen den Rücken vorher ausmessen. Und überhaupt, hast du nicht gelesen, wie schwer der ist? Man darf ohnehin nur die von dieser einen Firma kaufen.“
Selbst wenn mein Kind die hässlich findet? Und was ist, wenn das dumme Gör wächst und der ergonomische Ranzen plötzlich zu klein ist? Brauche ich dann jedes halbe Jahr nen neuen? Welche Bank überfallt ihr eigentlich so, um das zu finanzieren?
Und natürlich immer wieder:
„Wo warst du gestern, letzte Woche, vorhin beim Elterntreff, Wochengespräch, Bastelkreis? Warum wusstest du nichts davon? Und hast du schon eine ergonomische Schere, einen tropffreien Füller, ein biologisch einwandfreies Pausenbrot besorgt? Nein? Das hat die SoundSo doch bei letzten Treffen ganz nebenbei genuschelt…“
Tja, aber irgendwann hofft man, aus Fehlern klug zu werden.
Informationsgewinnung für Eltern
Damit man keine wichtigen Informationen mehr verpasst, besticht man in der Redaktion jeder maßgeblichen Elternzeitschrift mindestens einen Mitarbeiter. Dann darf man hoffen, die relevanten Tests, medizinischen Neuerungen und aktuellsten Erkenntnisse in der Kinderernährung vor dem Druck zu bekommen.
Der Partner unterhält eine teure, zeitaufwendige Affäre mit der Schulsekretärin, um jeden Elternbrief vor der Verteilung zu lesen. Das Telefon von Klassenlehrerin, Schulpflegschaftsvorsitzendem und zur Sicherheit auch der E-Mail-Verkehr aller Personen, die Schule, Kindergarten oder Eltern je nur gesehen haben, werden von einem eigens engagierten Sicherheitsdienst überwacht.
Und die knappe Freizeit verbringt man in einem Aufbaustudium Kindermedizin – nur um am Ball zu bleiben, obwohl natürlich alles, was es bis in den Lehrplan geschafft hat, hoffnungslos veraltet sein muss.
Das Ganze ist jedoch kein Schutz davor, am Ende dämlich da zu stehen.
Zum Beispiel mit dem Versuch, die schulfreie Sommerzeit richtig einzuleiten. Schon zu Beginn der Ferien alles aufzuräumen, alle Materialien zu besorgen, alles zu waschen, zu sortieren und zu beschriften…. Nur um dann zu erfahren, dass die Lehrer heutzutage gerne auf Blätter zurückgreifen, die sie ein (Schul)Jahr vorher ausgeteilt haben – und die die engagierte Mutter dämlicherweise in die Papiertonne entsorgt hat.
„Wie, das wusstest du nicht? Also ein bisschen Hellsehen kann man ja wohl erwarten. Einfach jeden Morgen den Kaffeesatz befragen muss wirklich drin sein. Es geht schließlich um das Wohl unserer Kinder.“